Sistas! von Golda Barton
nach Anton Tschechows Drei Schwestern
Premiere 16.11.2022 an der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz
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Golda Barton ausgezeichnet als beste Nachwuchsautorin 2023 Nominiert als beste Nachwuchsschauspielerin 2023 Nominiert für das Theatertreffen 2023 Ausgezeichnet mit dem Publikumspreis des Radikal jung Festivals 2023 Eingeladen zu den Mülheimer Theatertagen 2023 Stückabdruck Theater Heute 3/2023 Nominiert für den Friedrich-Luft-Preis Eingeladen zum Akzente Theatertreffen Duisburg 2024 Eingeladen zum Nachbarşchaften Festival Thalia Theater 2023
Es ist Ivys einundzwanzigster Geburtstag. Zur Feier des Tages hat Schwester Masha einen Überraschungsgast eingeladen: Vater Andrew kommt nach Jahren zurück nach Deutschland. Der ältesten Schwester Olivia passt das überhaupt nicht in den Kram. Doch wirft das Wiedersehen viele Fragen auf: Wäre ein Leben mit ihm als Schwarzer Identifikationsfigur anders verlaufen? Wären die Schwestern in den USA glücklicher geworden? Wie erlangt man eine Identität, wo fühlt man sich zugehörig und wann ist man eigentlich „deutsch“? Dürfen Asiat:innen Klassik spielen oder ist das Appropriation? Und wer darf eigentlich Tschechow spielen? Eine moderne Drei Schwestern-Überschreibung.
Mit: Pia Amofa-Antwi, Amanda Babaei Vieira, Aloysius Itoka, Diana Marie Müller, Isabelle Redfern, MING Regie: Isabelle Redfern, Katharina Stoll Bühne: Lani Tran-Duc Kostüme: Martha Lange, Carlotta Schuhmann Musik: MING Choreographie: Ute Pliestermann Dramaturgische Beratung: Philipp Khabo Koepsell Foto- und Videodokumentation: Kamil Janus
Eine Produktion von Glossy Pain • Gefördert durch den Hauptstadtkulturfonds
Presse:
Als schneidend frischer Wind weht hingegen Amanda Babaei Vieira als Natty auf die Szene. Eine skrupellose, lustige Figur mit Chuzpe und Geheimnis... Amanda Babaei Vieiras Natty ist Natur- und Kunstereignis. Sie ist einerseits mit allen Wassern der guten alten psychologischen Theaterkunst gewaschen – man versteht in jedem Augenblick, was sie will, und lebt mit ihr mit, wenn sie ihre Ziele durchsetzt. Gleichzeitig wuchert aber rund um ihren harten psychologischen Kern ein surrealer Überschuss (und das hätte Tschechow sicher sehr gefallen)... Ihr zuzuschauen macht großen Spaß, was sie hier zeigt, ist nicht weniger als die Rückkehr des psychologischen Spiels durch die Hintertür der Performance.
- Gabi Hift, nachtkritik
Dass es im dramatischen Genre funktionieren kann mit der klug aktualisierenden Kanon-Befragung, zeigt die Produktion Sistas!...in der Berliner Volksbühne. Auch hier trifft man auf Protagonistinnen, die sich mit hoher Diskursfitness in der gesellschaftspolitischen Debattenlandschaft verorten – als Akademikerinnen, Künstlerinnen, Schwarze, Frauen, Zehlendorferinnen. Nur werden die Diskurse hier eben nicht auf hölzerne Oberflächen-Statements herunterdividiert, sondern mit Hirn, Witz und hohem Bewusstsein für die fatale Neigung des Individuums zu Widersprüchlichkeiten wirklich ausverhandelt. Sprich: Der Abend fängt an dem Punkt, mit dem die meisten anderen aufhören, überhaupt erst an. ... Weil hier alle tief in ihre eigenen Verblendungszusammenhänge schauen, ist die Welt bei „Sistas!“ genauso komplex wie bei Tschechow, nur gegenwärtiger – und das Theater ähnlich kompliziert wie das Leben. Mit anderen Worten: ein Bühnen-Glücksfall.
- Christine Wahl, Tagesspiegel
Golda Barton (Text) und das freie Kollektiv Glossy Pain aus Isabelle Redfern, Katharina Stoll (beide Regie) und assoziierten Künstlerinnen veranstalten ein munter-böses Fettnäpfchen-Hüpfen. [...] Ein böser Pointenparcours.
- Franz Wille, Theater Heute
Was ist Heimat, und wann gehört wer dazu? Und was ist mit den Andern? Isabelle Redfern und Katharina Stoll bringen furchtbar schwere Themen wie Rassismus, Sexismus und Klassismus wunderbar leicht auf die Bühne. Mit Tempo und Charme, für die vor allem Pianistin MING - die im Stück als vorgebliche Koreanerin und tatsächliche Thailänderin das Asiatinnen-Klischee gleich doppelt bricht - und Amanda Babaei Vieira verantwortlich zeichnen, kamen die Berliner in München am besten an: Sie holten den mit 4000 Euro dotierten Publikumspreis.
- Michael Wieser, Kultur-Vollzug
Insgesamt ein sehr spannender Abend mit hervorragenden Schauspielerinnen, der bekannte Probleme divers und oft humorvoll, aber nie oberflächlich oder selbstmitleidig aufgreift.
- Antje van Bürk, Theater Pur
Natty [Amanda Babaei Vieira] weiß, was sie will und nimmt es sich, ohne zu versuchen jemandem zu gefallen. Sie weist die Schwestern auf ihren Egozentrismus hin, sie nimmt, wie Andrew, auch Pianistin Soo Jin wahr, und interagiert mit ihr. Und obwohl ihre Absichten nicht immer völlig frei von Eigennutz sind, scheint sie zum Ende des Stücks doch ernsthafte Gefühle für Andrew entwickelt zu haben. Nicht zuletzt das trägt dazu bei, dass sie eine vielschichtige Figur wird, die man schnell ins Herz schließt.
- Lina Berber, Mülheimer Theatertage StückeBlog
Der Abend bannt die Gefahr der identitätspolitischen Selbstbegrenzung, indem er das Kreisen um Fragen schwarzer Identität immer wieder reflektierend aufbricht. Die Stärke der Inszenierung ist, dass die tollen Schauspieler:innen den lässigen Konversationston des Dramas hervorragend treffen. Fragen der kulturellen Aneignung, der Wunsch nach Zugehörigkeit, die Suche nach Identität und die Hoffnung auf Gleichberechtigung werden hier so dringlich wie heiter-hintersinnig, fordernd wie frisch formuliert.
- Ina Beyer, SWR2